Das Kind will nicht kommen: Die Verzweiflung einer „Defekten“
Münchner Merkur, 11. November 2013, Christine Cless-Wesle
Im Ein-Frau-Stück „Die Defekte“ brillierte Doris Gruner unter der Regie von Guido Verstegen in der Rolle der Carla. Das Kind will nicht kommen: Die Verzweiflung einer „Defekten“. „Es gibt kein Lifting für die Eierstöcke.“ Mit bissigem Humor beteiligt Carla ihr geradezu atemlos mitfieberndes Publikum an der tiefen Verzweiflung einer 40-jährigen Akademikerin, die partout nicht schwanger wird. Die Rolle der „Defekten“ nach dem Roman von Eleonora Mazzoni war Schauspielerin Doris Gruner auf den Leib geschrieben. Carla wird zur mit Hormonen vollgestopften Legehenne. Für die erstklassige Uraufführung in der Pasinger Fabrik erntete „Die Lichtbühne“ jubelnden Applaus. Eine Tabu-Story, wie sie das Leben schreibt: Carla alias Doris Gruner ist der schon klassische Fall der Akademikerin um die 40, erfolgreich, attraktiv im Business-Kostüm. Sie hat einen spannenden Job an der Universität, ja auch einen perfekten Partner namens Marco. In rasch aufeinander folgenden Szenen weiht Carla ihr Publikum in ihr Elend ein. Sie nimmt sich eine Auszeit vom Beruf, konzentriert sich ausschließlich auf ihren übermächtigen Kinderwunsch. Ironisch überzeichnet und überzeugend mimt Schauspielerin Doris Gruner jene Frau, die nach dem Transfer befruchteter Eizellen ängstlich ihren Körper beobachtet […] In einer ausgezeichnet gespielten Szene liegt die Schauspielerin auf dem Bühnen-Tisch: Beine nach oben wie auf dem gynäkologischen Stuhl. Das lange Haar fließt als Wasserfall über die Kante. […] Doris Gruner schlüpft im EinFrau-Stück mühelos in die Rollen des Partners oder der Ärztin, die kühl bemerkt: „Eine Frau, die ein Kind im Reagenzglas macht, sollte nicht sentimental werden.“ Mit Songs zur Gitarre verbindet Sängerin Carolin Schiebel die Szenen. […] „Die Defekte“ macht Frauen Mut zum eigenen Ich: Nicht enden wollendes Klatschen und Jubel-Rufe für eine rund-um geglückte Uraufführung unter der Regie von Guido Verstegen.
Das Problem der Tage
Theaterkritiken.com, November 2013, C. M. Meier, Link
Es war eine bewegende Inszenierung, die den Stellenwert einer – zur fixen Idee – gewordenen Vorstellung betonte und damit das Problem aus dem Bauch der Frau auch auf den Rest der Welt übertrug. Die Beobachtung, die Analyse, der Vergleich, der Manipulationsansatz, der Versuch … das Ergebnis. Überall ist es offensichtlich, ist es – das Problem der Tage. Und wer denkt, es wäre allein das Problem der Frau, der hat noch nie einen Mann in seiner machtvollen Geschlechtsfixierung wahrgenommen. Es sind „Die Defekte“ die uns wirklich verbinden, die unsere Verletzlichkeit offensichtlich machen, die zu Erheiterung beitragen. Und die Heiterkeit nahm durchaus ihren berechtigten Platz ein, in dem Stück um den weiblichen Schöpfungswahn.
„Wie eine Legehenne“
Münchner Merkur, 12. Juli 2015, Miriam Pietrangeli-Ankermann
Wie fühlt sich eine Frau, die im Leben, beruflich und auch privat alles erreicht hat, aber ihr sehnlichster und natürlichster Wunsch, ein Kind zu bekommen, ihr verwehrt bleibt? […] Carla, ausdrucksstark und einfühlsam dargestellt von Doris Gruner, ist eine attraktive, erfolgreiche Frau, die in ihrem Leben alles erreicht und zudem noch einen wunderbaren Ehemann hat, den sie liebt. Die gutaussehende, schlanke Enddreißigerin nimmt sich für zwölf Monate eine berufliche Auszeit, um mittels künstlicher Befruchtung endlich schwanger zu werden. […] Gruner zeichnet in diesem Stück ein Psychogramm von Carlas Gefühlswelt mit Mimik, Gestik und einem großen schauspielerischen Können nach. Dabei regt sie die Zuschauer zum Nachdenken über das eigene Dasein an. Carolin Schiebel steuerte stimmige gesangliche und musikalische Einlagen auf der Gitarre zu dem Theaterstück bei. […]